Unternehmenskultur: Wie Politik in der Arbeit demotiviert

Zunehmend engagieren sich Leiterinnen und Leiter von Unternehmen und Organisationen politisch. Sie verweisen auf die Gefahren, die sich durch ein bestimmtes Wahlverhalten ergeben (können).

NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior Berater und CEO
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de

Zunehmend engagieren sich Leiterinnen und Leiter von Unternehmen, Organisationen und sogar Fußballvereinen politisch. Sie verweisen in Einzelinterviews und in gemeinsamen Kampagnen (#zusammenland) auf die Gefahren hin, die sich durch ein bestimmtes Wahlverhalten ergeben (können).

Positiv aus Sicht des Employer Branding ist dabei grundsätzlich zu betrachten, dass die Unternehmensführer für eine bestimmte Identität ihres Unternehmens einstehen, die sich im Idealfall aus einer Vision und den damit verbundenen Werten und einem Leitbild ergeben kann.

Aber hilfreich ist es für die Unternehmenskultur und die Leistungsfähigkeit nicht, denn es stößt einen Teil der Belegschaft vor den Kopf. Auch wenn man deren politische Einstellung nicht schätzt, bringen sie doch funktionelle Fähigkeiten mit, die ein Arbeitgeber im War for Talents benötigt.

Daher lautet die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, kategorisch politische Meinungen im Arbeitsverhältnis auszuschließen.

Vorbemerkung: Identität des Arbeitgebers

In der Arbeitgebermarke spiegelt sich die Identität durch die Kommunikation in einem Image wider, das in den Köpfen von Mitarbeitern und Bewerbern entsteht. Dabei lautet das Ziel, dass die Lücken zwischen Image und Identität gering sind. 

Die Identität erfüllt dabei die Bedürfnisse der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Aufgaben, durch Benefits, festgelegte Prozesse und Werte sowie im besten Fall einer gemeinsamen Vision.

Das dann kommunizierte Image sollte sehr nah an der Identität eines Arbeitgebers liegen. Dann erhöht sich die Chance, dass sich Wunsch-Kandidaten bewerben und langfristig motiviert ihre Aufgaben wahrnehmen.

Die so entstandene Identifikation ist an unterschiedlichen Kennzahlen, insbesondere der geringen Fluktuations-Rate und den niedrigen Krankenständen, messbar.

Die Lücken lassen sich durch den Employer Branding-Prozess schließen.

Arbeitserfolg: Beruf und Privat

Aus Sicht eines Arbeitgebers kommt es nicht nur auf die ethische Einstellung eines Mitarbeiters an, sondern auch auf funktionale, methodische und soziale Fähigkeiten, um einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Der eine Teil ist beruflicher Natur, der andere Teil speist sich aus dem Privaten.

Und dazu bedarf es des Rahmens, um diese Fähigkeiten vollständig abzurufen und den Job gut zu machen. Nötig sind eine zu den Aufgaben und dem Menschen passende Führung und passende Prozesse, um dessen Potentiale zu entfalten. Hier findet sich die Identität wieder. 

Stimmt dieser Rahmen nicht mehr und die Kommunikation (das Image) der Führung wirkt ablehnend auf den kompletten Mitarbeiter, schätzt ihn nicht wert oder kritisiert vielmehr sein Verhalten und seine Einstellungen, stört es die Arbeitsbeziehung.

Die Lücke zwischen Identität und Image wird größer. Die o.g. Kennzahlen erhöhen sich.

Politik schränkt Kommunikation ein

Regelmäßig gehört in unseren Projekten der Wunsch nach einer offenen Kommunikation dazu. Diese ist sichtbarster Aspekt guter Führung und für den Aufbau von beruflichen und privaten Beziehungen zwischen Mitarbeitern und zum Arbeitgeber.

Insbesondere führt die direkte persönliche Kommunikation außerhalb der Arbeitsaufgabe – am symbolischen Kaffeeautomaten – zum Aufbau latenter Strukturen und zum Vertrauen untereinander.

Und hier liegt nun die Problematik, wenn sich Unternehmens- und Organisationslenker klar gegen eine politische Richtung positionieren und ostentativ gegen die Wahl einer Partei aufrufen (morgenpost.de). Oder sie die Mitarbeiter direkt zum Verlassen des Unternehmens auffordern (deutschlandfunk.de).

Daraus ergibt sich die Frage, was eine so klare politische Positionierung mit der Belegschaft macht, insbesondere wenn ein großer Teil der allgemeinen Bevölkerung die wiederholt genannte Partei wählen würde und diese in der berufstätigen Bevölkerung noch stärker Akzeptanz findet (tagesspiegel.de).

Aus Sicht der Unternehmenskultur ist eine erwartbare Folge, dass Anhänger der Partei sich eingeschüchtert fühlen. Sie können in diesem Bereich nicht mehr frei ihre Meinung äußern. Sie fühlen sich im Beruf und im Privaten beobachtet. Das führt zu einem wachsenden Misstrauen zwischen den Kolleginnen und Kollegen und gegenüber dem Arbeitgeber.  

Insbesondere in kreativen Prozessen, in denen ein Querdenken (sic!) erforderlich ist, kommt es zu Barrieren im Kopf und in der Kommunikation. Denn es ist für Menschen schwer trennbar, in welchem Umfeld sie sich befinden: Darf man hier frei sprechen oder ist eher Zurückhaltung geboten?

Diese dauerhafte Selbstbeobachtung hemmt und kostet Energie. Der Unternehmenserfolg unterliegt einer politischen Begrenzung des Denkens.

Aspekte der Distanz im Arbeitsverhältnis

Aber auch andere Aspekte, die eine bestimmte Einstellung zu gesellschaftlichen oder religiösen Themen einfordern, führen für einen Teil der Belegschaft zu einer distanzierenden Haltung.

In vielen Gesprächen, insbesondere auf Konzernebene erlebt man, dass Managerinnen und Manager bestimmte Themen nicht schätzen oder ablehnen, jedoch aus opportunistischen Gründen mittragen. Sie gehen ohne Begeisterung ins Büro, nur für das „Was bekomme ich“ arbeitend.

Ein allegorisches Beispiel der Störung durch eine politische vorgebliche Einheitsmeinung ist die Mund-zu-Geste der deutschen Nationalmannschaft in Katar. Auch dort gab es Diskussionen innerhalb der Mannschaft. Antonio Rüdiger soll sogar die Mannschaftssitzung verlassen haben. Am Ende hat er dann doch mitgemacht. Aber der Spieler war sicher nicht der Einzige, der diese moralisch aufgeladene Geste kritisch sah. Durch Politik wurde so eine Atmosphäre fehlender Akzeptanz und gegenseitigen Misstrauens geschaffen, die zu einer sichtbaren minimierten Leistungsfähigkeit des Teams führte. Noch heute will Rüdiger nicht an die Aktion erinnert werden (exxpress.at).

Gleiche Debatten können sich in der Belegschaft z.B. für Russsischstämmige in Bezug zum Ukraine-Krieg, für Muslime in Bezug zum Hamas-Terror oder ein alternatives Milieu in Bezug zu einer Impflicht ergeben, wenn das Unternehmen oder die Geschäftsleitung eine politische Position bezieht.

Wo alle einer Meinung sein sollten

Das zeigt: Moralische Themen, die statt Vielfalt auf Einigkeit setzen, kosten Energie, senken die Motivation der Belegschaft und somit die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und einer Organisation.

Wichtig ist es daher einen Rahmen aus Werten und Anforderungen an Mitarbeiter zu setzen, diesen aber auf das Arbeitsergebnis und die -prozesse zu beziehen, aber nicht mit einer gesellschaftlich-politischen Ethik aufzuladen. Denn dort beginnen die grundlegenden Auseinandersetzungen innerhalb der Belegschaft, die wenig zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen beitragen. Vielmehr sollten die unternehmerischen Werte einer Abgrenzung gegenüber Wettbewerbern am Arbeitsmarkt und nicht untereinander dienen.

Innerhalb des Rahmens müssen politische und gesellschaftliche Diskussionen erlaubt sein und nicht in patriarchalischer Weise im Vorfeld abgewürgt werden, solange sie der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprechen und nicht strafbar sind.

Bildrechte: Lukas / pexels.com

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