120 Unternehmen im Employer Branding-Check, Thomas Schäfer im Interview

Was kommt heraus, wenn ein unabhängiges Marktforschungsinstitut auf eigene Kosten das externe Arbeitgeberimage von 120 Großunternehmen erhebt?

NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior Berater und CEO
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de

Thomas Schäfer ist Geschäftsführer der neugegründeten Nuggets Research & Digital. Er ist Initiator und Leiter der Erhebung. Mit seinem Team fokussiert er sich vorrangig auf digitale Marktforschungsmethoden und -prozesse. Dabei bringt er 30 Jahre Projekterfahrung ein.

Im Interview spricht der Experte über die Ergebnisse der Studie und die (überraschenden) Folgerungen daraus. Interessierte Arbeitgeber können die Ergebnisse für ihr Unternehmen auf der Webseite von Nuggets bestellen.

Herr Schäfer, woher kam Ihre Idee für die Studie?

Als Dienstleister interessieren uns die relevanten Arbeitsgebiete. Was bietet sich mehr an als Employer Branding?

Wir sind der Meinung, dafür müssen sich Unternehmen interessieren und wir haben ein Thema am Start, zu dem wir einen Beitrag leisten wollen.

Worauf kam es bei der Datenbasis an?

Es gibt viele Studien, viele davon sehr einfach gemacht, zu direkt in ihrer Fragestellung, zu wenig Fallzahl, schwer nachvollziehbare Definition der Grundgesamtheit. Viele Studien gibt es vielleicht auch nur, um eine Schlagzeile zu produzieren.

Uns aber war eine breit angelegte und statistisch abgesicherte Datenbasis sehr wichtig. Unsere Grundgesamtheit sind alle Arbeitnehmer inklusive Selbstständige und Freiberufler. Und solche, die es werden wollen: Schüler und Studenten. Ein bundesweit repräsentatives Abbild aller für den Arbeitsmarkt relevanten Personen sozusagen. Über 2.000 Interviews, d.h. viele Auswertemöglichkeiten und viel statistische Sicherheit.

Und die Art, wie wir in der Befragung Unternehmen bewerten lassen, halten wir auch für sehr angemessen: intuitiv, grafisch unterstützt, einfach in der Durchführung für den einzelnen Teilnehmer. Also Insights auf Basis einer vernünftigen Empirie. Das wollten wir erreichen, das haben wir erreicht und bieten diese Ergebnisse gern am Markt an.

Was waren Ihre inhaltlichen Ziele?

Wir wollen zwei Dinge: Einschätzungen zum Arbeitsmarkt generell und die Bewertung von Unternehmen, also von Arbeitgebern.

Die 120 Unternehmen, die bewertet werden, sind die größten Arbeitgeber in Deutschland plus viele Mittelständler, große Banken und viele relevante Behörden, die ja auch sehr wichtige Arbeitgeber sind.

Wichtiger als man spontan denkt. Insgesamt haben wir ein rundum umfängliches Projekt und absichtlich keinen Schwerpunkt auf Branchen oder Berufsgruppen.

Was sind rein funktionale Wünsche von Mitarbeitern an ihren Arbeitsplatz und Arbeitgeber?

Wir stellen fest, dass viele Leute mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind. Sehr viele. D.h. wir können gar nicht in die Diskussion „Alles schlimm!“ einstimmen. Das ist das, was gerne verbreitet wird. Unsere Daten bestätigen das nicht.

Die Gründe für die Zufriedenheit – und jetzt schenke ich vielleicht etwas Wasser in den Wein – sind oft einfach: Gehalt – nicht nur dessen Höhe bzw. Angemessenheit, sondern (und das finde ich interessant) auch häufig der einfache Wunsch, dass es pünktlich kommt. Wer deswegen zufrieden ist, hat vielleicht gar nicht so große Anforderungen und / oder Enttäuschungen erlebt.

Arbeitszeit und die Flexibilität im Umgang damit spielen ebenfalls eine große Rolle sowie viele (Neben-)Themen wie Arbeitsweg, Vorhandensein einer Kantine als funktionale Gründe für Zufriedenheit.

Wie sieht es emotional aus?

Auf der nicht ganz so „funktionalen“ Ebene ist alles, was das Betriebsklima und die aktuelle Arbeitssituation betrifft, so eine Art Number One und mindestens so wichtig wie Gehalt.

Es ist – vielleicht allen Befragten – sehr wichtig, dass ihr Team gut ist und sie von Vorgesetzten wertgeschätzt (manchmal auch nur gesehen) werden. Viele begründen ihre Zufriedenheit explizit hiermit. Viele andere haben dies vielleicht implizit im Hinterkopf.

Hieraus würde ich die Erwartungen – und auch Maßnahmen – ableiten.

Was hat Sie an den Ergebnissen überrascht?

Die hohe Zufriedenheit. Unabhängig davon sind sehr viele – meiner Ansicht nach zu viele – der Meinung, dass ihr Unternehmen mehr tun kann, um sie zu halten. Oder tun muss!

Mitarbeiterbindung erscheint mir als Aufgabe für alle Unternehmen essenziell: Alle Arbeitgeber müssen – viele tun das bereits – mehr über Mitarbeiterbindung nachdenken.

Das ist sehr klar geworden und auch nicht ganz neu, obwohl mich das Ergebnis in seiner Deutlichkeit schon überrascht hat.

Inwieweit gibt es Unterschiede zwischen den Altersgruppen?

Recht wenige. Vielleicht gibt es Unterschied zwischen anderen Gruppierungen. Aber Alter, Geschlecht und viele andere, die wir bisher analysiert haben, sind ohne nennenswerte Unterschiede, auch bei anderen Teilergebnissen.

Welche Schlüsse können Arbeitgeber für den War for Talents ziehen?

Die Unternehmen, die wir abdecken, sehen, mit wem sie als Arbeitgeber verglichen werden.

Das ist nicht zwingend innerhalb ihrer Kategorie, sondern auch branchenübergreifend.

Sie müssen dann beurteilen, ob sie mit dieser Nähe zu anderen zufrieden sind oder ob sie etwas ändern wollen.

Als Beispiel: Werde ich als Finanzdienstleister mit SAP oder eher doch mit der Katholischen Kirche verglichen? Das ist doch ein Unterschied, den ich hier noch nicht einmal werten möchte. Aber das ist das, was ein Arbeitgeber kennen sollte.

Wie sieht es mit Bezug zu den Attraktivitätsfaktoren aus?

Wir sehen zudem, mit welchen funktionalen und emotionalen Aspekten sie in Verbindung gebracht werden. Also ihr Arbeitgeberimage. Auch hier muss entschieden werden, ob das die richtige Position – viele sagen: Positionierung – ist bzw. ob man etwas ändern möchte.

Ein zentrales Ergebnis: Werde ich als Arbeitgeber empfohlen und wenn ja, inwieweit? Da gibt es echte Tops und auch welche, die an ihrem Image unbedingt arbeiten müssen, um ins relevante Set zu gelangen (um hier mal einen Marketingbegriff zu bemühen).

Die Schlüsse, die Arbeitgeber ziehen bzw. die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, sind dann sicherlich sehr individuell.

Welche Entwicklungen sehen Sie als Marktforscher am Arbeitsmarkt allgemein?

Zunächst, welche Entwicklung ich nicht sehe: In Medien wird viel über Purpose und dessen Relevanz sei gesprochen.

Für die Allgemeinheit kann ich das nicht nachvollziehen. Das zeigen unsere Daten nicht. Es sind einzelne Befragte, die Aspekte wie sinnvolle / sinnstiftende Arbeit als Grund für irgendetwas nennen.

Nur wenige von 2.000 Teilnehmern. Ich kann nicht beurteilen, ob dieses Thema nicht doch in einzelnen Bewerbungsgesprächen eine Rolle spielt. Mag sein. Aber in der Masse derzeit nicht.

Ich sehe, dass Unternehmen – ganz allgemein – ihr Potenzial zur Mitarbeiterbindung nicht ausschöpfen. Und wenn sie das nicht tun, haben sie überproportional mehr Aufwand, um im War for Talents erfolgreich zu sein.

Vielleicht braucht es ja gar nicht viel. In vielen Fällen sind die Basics nicht erfüllt. Damit anzufangen, wäre schon mal gut.

Ob und was sich im Arbeitsmarkt tut, sehen wir, wenn wir die Studie in 2023 wiederholen. Dann wissen wir (noch) mehr.

Herr Schäfer, vielen Dank für das Interview!

Bildrechte: Thomas Schäfer

Sie möchten mehr wissen?

Buchen Sie jetzt ein kostenloses 30-minütiges Beratungsgespräch mit einem unserer Experten!

Teilen Sie diesen Artikel:
LinkedIn
XING
X
WhatsApp
Telegram
Facebook

Weitere Artikel aus unserem Blog

Was hat HR-Fachleute im August 2024 am häufigsten im Bereich Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting interessiert?
Was hat HR-Fachleute im Juli 2024 am häufigsten im Bereich Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting interessiert?
Workation ist seit den frühen 2020er Jahren ein Trend-Benefit. Es kann die Bedürfnisse unterschiedlicher Mitarbeitergruppen erfüllen und so auf das Employer Branding einzahlen.